Martina Nitschke über den Einsatz von Overlays

Im Interview, Martina Nitschke von der VGV.
Die VGV ist ein Zusammenschluss berufsständischer Versorgungswerke mit rund 110.000 Mitgliedern. Sie setzt bei einem Teil der ihr angeschlossenen Versorgungswerke Overlay-Mandate mit taktischen Signalen ein – und das seit einem Jahrzehnt erfolgreich mit Universal Investment. Gesichert werden die Risikofaktoren Aktien-, Zins- und Credit-Spreads.

Martina Nitschke Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke mbH Overlay -Mandate mit taktischen Signalen

Durch Know-how und intensive Zusammenarbeit wächst über die Jahre Vertrauen, dadurch ist vieles möglich.

Martina Nitschke, Prokuristin und Abteilungsleiterin Kapitalanlagen bei der VGV Verwaltungsgesellschaft für Versorgungswerke mbH
Quelle: Martina Nitschke
Interview

Frau Nitschke, Sie haben sich für den Einsatz von modular aufgebauten Overlays mit taktischen Signalen entschieden. Worin sehen Sie zunächst generell die Vorteile eines modular aufgebauten Overlays? Was kann es aus Ihrer Sicht leisten? Wo liegen die Grenzen?

Die globale Finanzkrise war ein Weckruf. Das schnelle Abschmelzen von stillen Reserven und die damit einhergehende Verringerung der zur Verfügung stehenden Risikobudgets erforderten ein Umdenken. Ohne das hätte es an der Risikotrag-fähigkeit gefehlt – mit der Konsequenz, dass der Aufbau einer Allokation in Alternative Investments stark eingeschränkt gewesen wäre. Vieles war zu statisch, eine systematische Begrenzung von Risiken bei gleichzeitiger Nutzung von Performance-Chancen war angezeigt. Die wichtigste Kennzahl: 4 Prozent Rechnungszins. Nach eingehender Prüfung und einem begleiteten Auswahlprozess haben die Versorgungswerke sich 2012 für den Einsatz eines Overlays (liquide Assets) entschieden. Modular aufgebaut und mit Einsatz taktischer Signale.

Das Overlay behindert dabei die Asset-Allokation der mandatierten Asset Manager nicht. Es ist eher eine Art Fallschirm, um eine möglichst sichere Landung hinzulegen.

Die Entscheidung für den Einsatz eines Overlays zeigt uns heute, dass sie richtig war. Gerade in einem Krisenjahr wie 2022, in dem einem alle Faktoren, salopp gesagt, „um die Ohren fliegen“, ist es wichtig, sich auf der liquiden Seite schnell nach unten absichern zu können. Das könnte einen deutlichen Performance-Vorteil für die Versorgungswerke bringen.

Und die Grenzen?

Am Anfang stehen immer die Reflexion aktueller Rahmenbedingungen und die Ableitung einer SAA und Anlagestrategie mittels aktueller Kapitalmarktszenarien. Fragen wie: Wie viel Risikobudget stelle ich für welche Risikofaktoren zur Verfügung? Bis wohin bin ich bereit, maximale Verluste hinzunehmen? Und kann sich das Versorgungswerk aufgrund seiner Reserven diese Art der Kapitalanlage leisten?

Zudem nutzen die Versorgungswerke taktische Signale zur Steuerung der einzelnen Risikobudgettöpfe. Die Signale basieren auf fundamental ökonomischen Werten, die entsprechende Effekte auf die Risikopositionierung auslösen. Die Grenzen liegen darin, dass wir nicht mit Bestimmtheit wissen, ob die genutzten Systeme die „neue“ Zukunft gut abbilden. Hier sind Know-how, Flexibilität und auch Vertrauen in die Partner wichtig, um die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

Die Overlays, die Sie einsetzen, sind modular aufgebaut und basieren auf taktischen Signalen von Vescore by Vontobel. Die richtige Variante bei komplexen Portfolios?

Das kommt darauf an, was Sie mit komplex meinen. Unsere Portfolios sind aufgrund ihrer Diversifikation komplex, das ist richtig. Ein großer Teil beinhaltet illiquide Assets, ein kleinerer liquide. Mit den Overlays steuern wir die Risiken der liquiden Assets. Für uns ist es der richtige Weg.

Der modulare Ansatz begrenzt dabei die Komplexität und schafft gleichzeitig Platz für die notwendige Individualität und Flexibilität. Das System ist automatisiert, ermöglicht dennoch einen „händischen“ Wiedereinstieg bei positiver Markt-einschätzung.

Wichtig ist auch: Wir stecken wöchentlich die Köpfe zusammen und schauen gemeinsam, wie wir die Steuerung der liquiden Assets verbessern können. So ist im Frühjahr 2020 die Vola-Ampel entstanden. Sie zeigt, wie sich der Markt kurzfristig verhält, und schärft zusätzlich den Blick aufs Ganze. Auf die liquiden Assets, die taktischen Signale und die Treiber mit all den vordefinierten Kriterien. Diesen detaillierten und präzisen Einblick hat es 2008 und 2009 leider noch nicht gegeben. Zum damaligen Zeitpunkt stellte sich immer die Frage: Wo stehen wir jetzt aktuell?

Und ein heutiger schöner Nebeneffekt: Transparenz und Risikosteuerung durch die Overlays lassen mich auch als Verantwortliche für dieses globale Kapitalmarkt-portfolio ruhiger schlafen.

Welchen Einfluss hat das Overlay auf Ihre Strategische Asset-Allokation (SAA)?

Kurz: keinen. Wie gesagt, es ist uns wichtig, dass sich die Manager um ihre originäre Aufgabe kümmern können. Das Overlay sichert die Entscheidungen ab.

Konkret: Wir justieren und berechnen die SAA, basierend auf den Kapitalmarkt-szenarien, und leiten davon die Anlagestrategie für die Versorgungswerke ab. Das Overlay spielt dabei zunächst keine Rolle. Wir tun so, als hätten wir keines.

Wenn eine Risikobedeckung ohne Overlay immer noch bei auskömmlichen 150 Prozent liegt, dann sind wir in die richtige Richtung gegangen. Die Vorgehensweise hilft, am Anfang des Jahres dem Overlay Manager zu sagen: Das ist das Risiko-budget bei einer komplett entsicherten Situation. Wir selbst haben für unsere Versorgungswerke eine viel umfänglichere Definition von Risikobudgets. Hier zählen beispielsweise stille Reserven und die Zinsschwankungsreserve auch dazu. Es wird also nur ein Teil innerhalb des gesamten Risikobudgets der Versorgungswerke für die Overlays der liquiden Assets disponiert.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Implementierung eines modularen Overlays mit taktischen Signalen gemacht? Worauf sollte geachtet werden?

Meine erste Empfehlung wäre immer der Aufsatz eines Masterfonds, in dem die liquiden Bestände von einer KVG verwaltet werden. Diese muss nicht zwingend aus demselben Haus kommen wie der Overlay Manager. Ein erfahrener Overlay Manager versteht gut, was eine KVG braucht und welche Schnittstellen bedient werden müssen. Universal Investment hat hier enormes Know-how.

Auch sollte das Portfolio gut segmentiert sein: Welcher Aktien- und Rentenbestand ist gut hedgebar? Welcher weniger? Es gibt Anlageklassen, insbesondere auf der Rentenseite, für die es nicht den 1:1-Hedge gibt. Diese sind nur bedingt steuerbar. Bei einem großen Anteil liquider Anlagen zum Beispiel funktioniert die Risiko-steuerung sehr gut.

Das Risikoumfeld hat sich stark verändert. Und wahrscheinlich stehen weitere schnelle und radikale Änderungen bevor – gesellschaftliche und wirtschaftliche. Vor diesem Hintergrund: Wie flexibel muss für Sie ein Overlay-System aufgestellt sein? Spielt künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle?

Die Flexibilität muss da sein. Wenn wir uns mal die letzten 20 Jahre anschauen: Es gab immer Marktbewegungen, die nicht vorhersehbar waren. Zum Beispiel die Euro-Bankenkrise. Das, was da passierte, konnte sich ja niemand vorstellen. Hat aber gezeigt, dass wir mehr denn je in der Lage sein müssen, schnell und flexibel zu agieren.

Die Overlays sichern uns die Teilnahme an positiven Marktbewegungen und begrenzen diese bei negativen. Mit dem modularen Ansatz haben wir zusätzlich die Möglichkeit, verschiedene Risikoarten unterschiedlich zu budgetieren, gerade auch im Hinblick auf nicht oder nur bedingt steuerbare Risiken. Und die Dynamisierung dieser Risikobudgets erfolgt durch die taktischen Signale. Es sind die einzelnen Komponenten der Overlay-Steuerung, die Flexibilität bringen.

Flexibilität ist allerdings auch im Team gefordert. Wir stellen alles immer wieder auf den Prüfstand. Das ist manchmal anstrengend, zeigt aber im Ergebnis, dass es genau der richtige Weg ist. So sind wir zum Beispiel auch auf die Vola-Ampel gekommen.

Zum Thema KI: Ich sehe KI als sehr gute Ergänzung zur menschlichen Intelligenz. Denn eine KI lebt ja genau davon, von Mustern. Zwar lernen Algorithmen auch von Algorithmen, aber die müssen ja auch erst mal von Menschen geschrieben werden. Beim Overlay mit taktischen Signalen würde ich noch nicht von KI sprechen. Das kommt sicher in der Zukunft. Aber auch hier ist es so, dass wir auf der einen Seite Technik vorhalten und auf der anderen Seite Menschen benötigen, die geo-politische und gesellschaftliche Aspekte analysieren und berücksichtigen. Erst dann kann eine zukunftsgerichtete Entscheidung getroffen werden. Beispiel: Wäre es jetzt gut, gar nicht mehr in die Entsicherung einzugehen? Das, glaube ich, muss zumindest im Moment noch durch menschliche Expertise eingebracht werden – bei aller Subjektivität.

Abseits von Technik: Wie sind Sie bei der Auswahl Ihres Overlay Managers vorgegangen? Welche Phasen gibt es und wie wichtig ist dabei Kommunikation?

Was ist unsere Aufgabe? Wir erfüllen für unsere Versorgungswerke einen Auftrag und sind auch Investment-Controller. Unsere Aufgabe ist es nicht, auch wenn es manchmal so aussieht, als Berater die Auswahlverfahren zu steuern. Subjektivität gilt es hier zu vermeiden.

Unsere Arbeit fängt aber noch viel früher an. Klar muss sein: Was soll mit dem liquiden Teil des jeweiligen Portfolios erreicht werden? Wie soll ein Overlay arbeiten? Um dann einen ordentlichen Auswahlprozess von Overlay Managern aufzusetzen. Es werden Overlay-Konzepte und technische Aspekte wie die Anbindung an KVGs und Depotbanken detailliert beleuchtet.

Wenn die Wahl auf einen Overlay Manager erfolgt ist und der Aufsatz vollzogen wurde, kommt die Zeit, in der man die Auswahlentscheidung kontrolliert und gleichzeitig das Vertrauen in den Overlay Manager wachsen darf. Und ich kann sagen, dass über die letzten zehn Jahre, die wir gemeinsam mit Universal Investment als Overlay Manager und Vescore als Signalgeber zusammenarbeiten, das Vertrauen sehr stark gewachsen ist.

Dabei ist transparente und offene Kommunikation extrem wichtig. In Richtung Versorgungswerke und in Richtung Overlay Manager. Bei Vertragsabschluss haben wir nicht gesagt, wir treffen uns jeden Mittwoch zu Ad-hoc-Gesprächen. Die intensive Zusammenarbeit macht heute vieles möglich. Neue, zündende Ideen sind dadurch schon entstanden. Alles folgt einem Ziel: Das ist der Erfolg, den wir für unsere Versorgungswerke erzielen möchten.

Sie feiern dieses Jahr zehn Jahre Zusammenarbeit mit Universal Investment, einen für die Branche langen Track Record. Was ist es, was diese lange Zusammenarbeit im Overlay Management ausmacht?

Stimmt. Erstaunlich, dass schon zehn Jahre vergangen sind. Vor dieser Zeit hatten wir einen etwas anderen Aufsatz: 1:1-Sicherungseffekte, gerade beim Direkt-bestand. Insofern waren gerade am Anfang die Erwartungen hoch, das neue Konzept und die Zusammenarbeit mussten sich beweisen.

Was wir von Anfang an gemacht haben und immer noch tun, ist, sich das System einmal im Jahr komplett anzusehen. Fragen stellen wie: Was können wir tun, damit uns zu viel Kasse in Zeiten von Negativzinsen (2022 hat sich das Bild gedreht) die Performance nicht verhagelt? Was können wir tun, um die Reports für die einzelnen Versorgungswerke noch transparenter zu machen? Was ist da im Betrachtungs-zeitraum passiert? Warum waren wir vielleicht auch einmal nicht schnell genug? Braucht es eine Gremienentscheidung? Können wir hier mehr automatisieren, damit uns nicht wichtige Markttage verloren gehen?

Wir waren und sind immer auf einer gemeinsamen Lernkurve unterwegs – vielleicht ist es genau das, warum sich die Zusammenarbeit auch nach zehn Jahren noch frisch und spannend anfühlt und sie, nicht zu vergessen, erfolgreich ist.

Das Interview wurde im Dezember 2022 geführt und ist zuerst im bAV Jahrbuch 2023 von dpn ThinkTank erschienen.